Ariane Grande im Hallenstadion Zürich: hochintensiv und aalglatt (2024)

Mit ihren Fan- und Follower-Zahlen stellt die amerikanische Sängerin die gesamte Konkurrenz in den Schatten. Im Zürcher Hallenstadion verzückt sie das junge Publikum als makellose Zauberfee: Ihr Auftritt ist hochprofessionell – und aalglatt.

Adrian Schräder

Ariane Grande im Hallenstadion Zürich: hochintensiv und aalglatt (1)

Die Bühne ist noch leer, da erfüllt schon eine Stimme das Hallenstadion – hell und klar. Es klingt, als würde sie voller Inbrunst eine Nationalhymne singen. Dabei geht es im Text um einen Engel, dessen Tränen als Regen auf die Erde niedergehen. Kurze Zeit später zeigt sich der Engel, umgeben von einigen Adlaten: Ariana Grande eröffnet in einer Art Abendmahl-Setting ihr Konzert im ausverkauften Zürcher Hallenstadion. «God Is A Woman» heisst das Stück.

Es gibt eine Welt, die sich um die 26-jährige Amerikanerin dreht – und diese Welt ist ziemlich gross. 165 Millionen Menschen folgen dem US-Pop-Star auf Instagram, 65 Millionen auf Twitter. Und über 48 Millionen streamen ihre Musik monatlich allein über Spotify. Zahlen, die jede Beyoncé, jede Rihanna, jede Lady Gaga und jede Taylor Swift in den Schatten stellen. Zahlen, die Grandes Ausnahmestatus belegen. Dieser Status sorgt beispielsweise dafür, dass sich keiner ihrer 13000 Fans am Sonntagabend im Hallenstadion darüber beschwert, wegen erhöhter Sicherheitsmassnahmen gut und gerne zwei Stunden anzustehen, um ihre neunzigminütige Show zu sehen.

Flucht in die Arbeit

Ausserhalb ihrer Welt hat man Ariana Grande trotz allen Erfolgen – bereits ihr Debütalbum, «Yours Truly», erlangte 2013 Platin-Status – lange nicht richtig wahrgenommen. Bis zu jenem Augenblick im Mai 2017, als sich kurz nach ihrem Konzert in Manchester ein islamistischer Attentäter in die Luft sprengte und 22 weitere Menschen in den Tod riss. Die Schlagzeilen gingen um die Welt, der Schock sass tief, der Name Grande setzte sich auch im Bewusstsein von Menschen jenseits der 30 fest.

Und was tat die zierliche Frau aus Florida? Statt die Karriere an den Nagel zu hängen und sich zu vergraben, stand sie zwei Wochen später gleichenorts auf einer Bühne und zeigte Anteilnahme, zeigte Stärke. Statt zu zerbrechen, flüchtete sie sich in die Arbeit und lief zur Bestform auf.

Ihre seither veröffentlichten Alben, «Sweetener» und «Thank U, Next», markieren den endgültigen Start einer Weltkarriere. Während sie auf dem ersten mit Pharrell Williams einen neuen, zeitgeistigen Sound kreierte, hat sie es auf dem zweiten geschafft, perfekt geschliffenen, modern anmutenden Pop zu machen und gleichzeitig alle ihre Schicksalsschläge thematisch unterzubringen. Keinem gelingt das derzeit so gut wie ihr.

Wie in einem Musical

Überhaupt scheint ihr alles zu gelingen, auch an diesem Abend in Zürich. Immer sieht sie blendend aus, immer sitzt ihre Uniform – Overknee-Stiefel mit hohen Absätzen, kurzes Röckchen, bauchfreies Top, Puffärmel, langer Pferdeschwanz, viel, viel Make-up – perfekt. Jede Bewegung wirkt souverän. Sie kommt wie eine Art Zauberfee daher. Genau das scheint die junge Zielgruppe zu schätzen: diese Mischung aus absoluter Perfektion – endlose Choreografien, makelloser Teint, durchwegs sichere Stimme – und (angeblichem) Star zum Anfassen.

Oft ist ihr Liebespech ein Thema: Ex-Freund Mac Miller starb, die Beziehung mit dem Comedian Pete Davidson scheiterte nach der Verlobung. Jetzt singt sie im Titelsong ihres neuen Albums davon, was sie von ihren Ex-Partnern gelernt hat. Ohne Groll, ohne Bedauern, mit stolzem Blick nach vorne. «7 Rings», ihr derzeit grösster Hit, ist eine Selbstermächtigungshymne: Auf Basis des tausendfach gecoverten «Sound Of Music»-Klassikers «My Favorite Things» betont sie, dass sie sich alles kaufen kann, worauf sie Lust hat.

Im Hallenstadion wähnt man sich in einem Musical – dort, wo Grande im Alter von 15 Jahren ihre Karriere begann: Die «Sweetener World Tour» ist eigentlich eine Tanzrevue. Planeten hängen von der Decke, ein ovaler Steg führt durch die Halle. Ständig ist sie umgeben von einer vielköpfigen Tanztruppe, immer ist sie Teil einer Choreografie. Mit ganz grossen Effekten hält sie sich zurück. Es geht mehr um Tanz, um Licht, um Stimmungen, um eine Tour de Force durch Hits, Stile und Posen.

Der Vater ist dabei

Was tatsächlich beeindruckt: Wie sie die Genres abdeckt und verbindet, wie sie von Power-Pop zu R’n’B, zu Rap, zu Reggae, zu Electro-House, zu Pop-Balladen, zu Trap-Pop wechselt. Überall kann sie ihre Stimme einbringen. Die Wechsel sind abrupt, die Musik ist forsch, basslastig, erstaunlich knackig dafür, dass die auf beide Bühnenseiten verteilten vier Musiker ständig noch von Spuren ab Band unterstützt werden.

Ohne mit der Wimper zu zucken, nimmt Grande am Schluss Fahrt auf, wechselt von einer Ballade zum euphorisierendem Dance-Pop mit Knallbonbon-Effekt: Auf «Break Free» von 2014 folgt «Into You» von 2016. Musik, wie geschaffen für die Klimax einer Spinning-Klasse.

Grosse Ausstrahlung nimmt man nicht wahr, jedoch den unbedingten Willen, ein perfektes Konzert abzuliefern. Zwischendurch erwähnt sie zweimal den Grund, warum ihr Perfektionstrieb an diesem Abend wohl noch zusätzlich befeuert wird: Ihr Vater sei anwesend. Und Zürich möge sie sowieso: «Ich sollte öfter hier vorbeikommen. I love you, seriously.»

Um Liebe vom Publikum zu bekommen, muss sie im Hallenstadion nur ihre Revue abspulen. Zaubern ist nicht nötig. Das hat sie – unterstützt von einem Team von Songwritern und Produzenten, den Besten des Fachs – bereits im Studio getan.

Immer wieder Cher! Der lange Weg in die ewige Jugend Seit 55 Jahren zeigt sich Cherilyn Sarkisian alias Cher auf den Bühnen der Pop-Kultur. Dass sie noch ziemlich frisch wirkt, verdankt sie Musik, Fitness, plastischer Chirurgie und Sound-Software.

Ueli Bernays

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